Kontext
Die Zukunft des Heizens von Wohnhäusern
Raumheizung. In den Niederlanden gibt es ungefähr 7,8 Mio. Haushalte, wovon 85 % mit einem zentralen Heizkessel heizen. Etwa 19 % der gesamten niederländischen CO2 Emissionen ist auf diese Haushalte zurückzuführen. Fast zwei drittel dieses CO2 Ausstoßes wird der Raumbeheizung und dem Warmwasser in den Haushalten zugeordnet, der Rest wird dem verbrauchten elektrischen Strom in den Haushalten zugeordnet. Damit hat der CO2 Ausstoß durch die Raumheizung und die Bereitstellung von Warmwasser den größten Beitrag des CO2 Ausstoßes von privaten Haushalten.

Neubauten. Der CO2 Ausstoß für Raumheizung von Neubauten ist im Verhältnis sehr beschränkt, relativ betrachtet ist die jährliche Anzahl neu gebauter Wohnhäuser beschränkt (0.8 % Wachstum im Gesamtbestand). Außerdem haben Neubauten durch gute Wärmedämmung nur einen geringen Wärmebedarf, weswegen es möglich ist Niedertemperatur Fußbodenheizungen zu verbauen. Aus diesem Grund ist der Wärmebedarf und entsprechend der CO2 Ausstoß gering, ungeachtet des Heizsystems.
Bestandsgebäude. Die größte Einsparung des Energiebedarfs für Raumheizungen muss also in Bestands- bzw. Altbauten erreicht werden, welche hauptsächlich mit gasbetriebenen Heizkesseln und Hochtemperatur (HT) Heizkörpersystemen beheizt werden. Diese Wohngebäude haben einen immens höheren Wärmebedarf als Neubauten und werden in den nächsten Jahrzehnten noch immer den hauptsächlichen Anteil des Gesamtwohnbestands bilden. Dies ist somit, sowohl ökonomisch als auch technisch betrachtet die größte Herausforderung.
Zunächst sollte, sofern möglich, der Wärmebedarf durch verbesserte Wärmedämmung und/oder durch (konstenintensive) Renovierungen der Außenfassade reduziert werden. Außerdem sollte, je nach Lage und Typ des Wohnraums, nach neuen Methoden zur CO2 ärmeren Wärmeerzeugung geschaut werden.
CO2 Außstoß verschiedener Heizlösungen
Nutzung von Gas beenden. Von diversen Seiten werden stets mehr Stimmen laut, in den kommenden Jahren mit der Nutzung von Gas zur Beheizung von Wohngebäuden aufzuhören und auf andere Arten zu heizen. In dichtbesiedelten Gebieten können hierfür manchmal Wärmenetze genutzt werden, wenn in der Umgebung (industrielle) Restwärme ausreichender Qualität oder aus effizienten Blockheizkraftwerken verfügbar ist. Dies gilt jedoch nur für einen beschränkten Anteil des Baubestands. Zusätzlich werden elektrische Wärmepumpen oft als nachhaltige Alternative zu Brennwertkesseln genannt. Um den CO2 Ausstoß hiervon beurteilen zu können, ist es sinnvoll die CO2 Intensität der erzeugten Wärme von elektrischen Wärmepumpen mit der von modernen Brennwertkesseln und thermisch angetriebenen Wärmepumpen zu vergleichen.
CO2 Intensität und Wärme. Ein modernen Brennwertkessel liefert Wärme mit einer durchschnittlichen CO2 Intensität von 1.89 kg CO2 pro m3 Gas, bzw. 0.20 kg/kWh Wärmeenergie. Für eine elektrische Wärmepumpe ist dies etwas komplexer, hier kann die CO2 Intensität der Wärmeenergie mithilfe der verbrauchten elektrische Energie berechnet werden, indem die CO2 Intensität des elektrischen Stroms durch die Jahresarbeitszahl (SCOP = Seasonal Coefficient of Performance) der Wärmepumpe geteilt wird. Diese beiden Werte sind essentiell zur Berechnung der CO2 Intensität elektrischer Wärmepumpen, worüber es allerdings viele Missverständnisse gibt. Einige Erklärungen folgen daher hierunter.
Die CO2 Intensität des Strommix wird jährlich durch das niederländische Zentralamt für Statistik (CBS) [1] in Form zweier Kennzahlen veröffentlicht. Erstens, der durchschnittliche Emissionsfaktor (Integrale Methode) und zweitens der marginale Emissionsfaktor (referentiepark Methode). Der durchschnittliche Emissionsfaktor berücksichtigt die gesamte Elektrizitätsproduktion (erneuerbar und nicht erneuerbar), der marginale Emissionsfaktor berücksichtigt hingegen nur die Elektrizitätsproduktion aus fossilen Brennstoffen und der Kernenergie. Zur Analyse von Veränderungen der Stromerzeugung, wie einer Verbrauchsreduktion (z.B. durch mehr Photovoltaikanlagen) oder eines Verbrauchszuwaches (z.B. durch Ersatz von Gasheizungen durch elektrische Wärmepumpen) wird der marginale Emissionsfaktor angewendet. Mit anderen Worten: der Bau von Photovoltaikanlagen reduziert den Bedarf an fossiler Stromerzeugung, der Einsatz elektrischer Wärmepumpen erhöht den Bedarf an fossiler Stromerzeugung um denselben Faktor. Dies ist der Fall, solange es keinen Überschuss an erneuerbarem Strom gibt, was leider in den nächsten Jahrzehnten der Fall sein wird – insbesondere während der Heizperiode.
Das folgende Diagramm zeigt die Entwicklung des Verlaufs des marginalen Emissionsfaktors der letzten Jahre in den Niederlanden. Der Rückgang im Jahr 2016 ist durch die Abschaltung dreier Kohlekraftwerke zu erklären. Das aktuelle Niveau wird voraussichtlich erst ab 2030, auf etwa 0.50 kg/kWh sinken, wenn noch weitere Kohlekraftwerke abgeschaltet werden.

Der SCOP elektrischer Wärmepumpen. Diese Werte können genutzt werden, um den minimalen SCOP einer elektrischen Wärmepumpe heute und in der Zukunft zu berechnen, sodass diese auf eine geringere CO2 Intensität als ein Brennwertkessel kommt. Aktuell ist dieser ungefähr:

Nach Abschaltung der Kohlekraftwerke wird der Wert in Zukunft auf etwa 2.5 sinken.
Für zentrale Hochtemperatur (HT) Heizkörpersysteme kann eine elektrische Wärmepumpe maximal einen SCOP von 2.5 erreichen. Solche Erträge sind trotzdem sehr attraktiv, wenn die elektrische Energie vollständig erneuerbar (Skandinavien) oder mit Kernenergie (Frankreich) erzeugt wird. In den Niederlanden ist dies aufgrund des mit fossilen Energieträgern erzeugten Stroms ungenügend, um mit dem CO2 Ausstoß eines Brennwertkessels zu konkurrieren. Aus diesem Grund werden in den Niederlanden hauptsächlich Niedertemperatur (LT) Fußbodenheizsysteme in Kombination mit Luft-Wasser Wärmepumpen verbaut. Um solche Fußbodenheizungssystem in Bestandsgebäuden im gesamten Haus zu verbauen, sind meist sehr kostenintensive Umbauten notwendig.
Ein aktueller Artikel des renommierten deutschen Fraunhofer Forschungsinstituts liefert wichtige Ergebnisse über die tatsächliche gemessene Performance von Niedertemperatur (LT) Luft-Wasser Wärmepumpen in einer praktischen Studie (Wärmepumpen meist durch den Hersteller selbst installiert) [2]:
- Beste Ergebnisse: SCOP = 4.2
- Durchschnittliche Ergebnisse: SCOP = 3.2
- Schlechteste Ergebnisse: SCOP = 2.2
Dies gilt für Systeme, welche ab 2012 installiert wurden, da die Ergebnisse der Jahre zuvor noch schlechter waren. Die genannten SCOP Werte gelten nur für die Wohnraumbeheizung, also ohne Bereitung von Warmwasser. Aufgrund der hohen benötigten Temperatur (60 °C) des Warmwassers im Haushalt sinkt der SCOP des gesamten Heizsystems je um ungefährt 0.5. Dies ist allerdings stark abhängig, vom Verhältnis der Bedarfsmenge an Beheizung oder Warmwasser. Die besten LT Wärmepumpen erreichen in der Praxis einen maximalen SCOP = 4.0, für die meisten LT-Wärmepumpen gilt allerdings ein SCOP = 3.0 inkl. Aufbereitung von Warmwasser.
Die genannten Werte stimmen mit den Faustformeln des professionellen Installationssektors überein: gut installierte LT Wärmepumpen können inzwischen einen SCOP = 4.0 erreichen, ein SCOP = 3.0 inkl. der Bereitstellung von Warmwasser ist häufiger die Realität.
Fazit Vergleich der CO2 Intensität. Genanntes bedeutet, dass der durchschnittliche CO2 Ausstoß von LT Wärmepumpen auf einem vergleichbar hohen bzw. sogar auf einem höheren Niveau als der CO2 Ausstoß eines Brennwertkessels liegt. Mit anderen Worten: solange die Kohlekraftwerke in den Niederlanden nicht abgeschaltet sind, hat es für den CO2 Ausstoß wenig Sinn um großflächig LT Wärmepumpen in den Bestandsbau zu installieren, geschweige denn HT Wärmepumpen. Mit gut installieren Systemen ist höchstens ein kleiner Vorteil erreicht werden – zu einem hohen Preis.
Im nachfolgenden Diagramm wird der Ausstoß von CO2 der erzeugten Wärme verschiedener Technologien verglichen, alles in Bezug zum Ausstoß eines Brennwertkessel gesetzt.

Zu genannten Argumentationsweise sind noch einzelne Anmerkungen zu machen:
- Diese Argumentation gilt solange es während der Heizperiode in den Niederlanden keinen Überschuss an erneuerbarem Strom gibt. Soweit bekannt, wird dies erst lange nach 2030 eintreten.
- In der obrigen Argumentation sind weitere Verluste des Stromnetzes aufgrund von Spitzenbelastungen durch elektrische Wärmepumpen nicht mitbetrachtet worden. Netzbetreiber erwarten überdurchschnittliche Netzverluste, wenn viele elektrische Wärmepumpen gleichzeitig betrieben werden, wodurch der marginale CO2 Ausstoß in diesem Fall faktisch höher als im jährlichen Durchschnitt sein würde.
- Im Vergleich mit dem Brennwertkessel können Hybride Wärmepumpen für eine Reduktion des CO2 Ausstoßes sorgen, da die Wärmepumen in den weniger kühlen Perioden mit einem etwas besseren COP funktionieren. In den kälteren Perioden und für die Bereitstellung des Warmwassers wird dann auf den Brennwertkessel zurückgegriffen.
- Wasser-Wasser LT Wärmepumpen mit einem Erdwärmetauscher können für einen signifikante Reduktion der CO2 Emissionen sorgen. Nach demselben Artikel des deutschen Frauenhofer Forschungsinstiuts [2] liefern die neusten Systeme einen SCOP = 4.3, die allerbesten Systeme sogar einen SCOP = 5.3. Dies bedeutet eine 27 % bzw. 42 % Reduktion des CO2 Ausstoßes im Vergleich zu einem Brennwertkessel. Diese Lösung ist im Bestands- bzw. Altbau jedoch meist nicht einfach umsetzbar.
Verweise
- https://www.cbs.nl/nl-nl/achtergrond/2018/04/rendementen-en-co2-emissie-elektriciteitsproductie-2016
- M. Miara, 10 years of heat pumps monitoring in Germany. Outcomes of several monitoring campaigns. From low-energy houses to un-retrofitted single-family dwellings. 12th IEA Heat Pump Conference 2017 (pdf).